Agilen Organisationen spricht man eine besondere Leistungsfähigkeit zu. Was könnte HR alles leisten, wenn es gelänge, die Leitgedanken und Prinzipien der Agilität dort zu verankern? Nachdem wir das Trauma des vielerorts gescheiterten Business Partner Modells so langsam verarbeitet haben, bietet sich hier die nächste große Chance, HR zu einem Outperformer umzubauen. Ich sage das ganz ohne Sarkasmus, denn ich glaube, dass wir bei HR vieles von dem vorfinden, was zu den unabdingbaren Voraussetzungen von Agilität gehört. In kaum einem anderen Fachbereich stehen die Vorzeichen so gut.
Doch Vorsicht: Wie so oft bei großen Projekten, haben wir hier nur genau einen Schuss - und der muss treffen. Wer sich dieser Aufgabe stellt, sollte genau wissen, worauf es ankommt, was zu tun und was zu vermeiden ist. In diesem Beitrag werde ich daher die wichtigsten Punkte ansprechen.
Was ist eigentlich Agilität?
Was ist eigentlich Agilität? Überwiegend höre ich von meinen Gesprächspartnern auf diese Frage, dass Agilität ein Set aus (neuen) Methoden sei. In der Regel werden dann Scrum oder Kanban als Projektmanagement-Ansätze genannt und der Unterschied zum traditionellen Projektmanagement (Waterfall) herausgearbeitet. Auch, wenn das nicht grundsätzlich falsch ist, so ist die Grundannahme nicht korrekt. Agilität oder agile Organisationen entstehen nämlich nicht dadurch, dass wir neue Werkzeuge anwenden. Entscheidend ist, ob es gelingt, grundsätzliche Überzeugungen in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern und die richtigen Voraussetzungen zu schaffen. Stellen Sie sich einmal einen Zug vor, der von München nach Nürnberg fahren soll. Wenn Sie am Münchener Hauptbahnhof die Weichen so einstellen, dass der Zug nach Stuttgart fährt, dann werden Sie das Ziel nicht erreichen. Sie können dann zwar auf der Strecke den Zug gegen ein schnelleres, moderneres Modell austauschen - der (neue, schnelle) Zug fährt dann aber trotzdem nach Stuttgart. Man kann es auch kürzer und deutlicher sagen: A fool with a tool is still a fool!
Agile Projektmanagement-Methoden wie Scrum sind nur Werkzeuge. In den Händen ungeübter - oder schlimmer noch: nicht überzeugter - Mitarbeiter, werden Sie damit keine Erfolge erzielen. Es steht zu befürchten, dass Sie mehr kaputt machen. Widerstände und Demotivation sind häufig beobachtete Ergebnisse beim unüberlegten, schlecht vorbereiteten Einsatz agiler Methoden. Auch, wenn ich hier die Risiken nur kurz anreiße, wird das Bild vermutlich klar. Ich warne ausdrücklich vor schlecht durchdachten, schlecht vorbereiteten Feldversuchen!
Lohnen sich agile Organisationen?
Lohnt es sich angesichts solcher Risiken überhaupt, über agile Organisation nachzudenken und diese in Erwägung zu ziehen? Hier hören Sie von mir ein klares „Ja“. Unsere (Arbeits)welt funktioniert mittlerweile völlig anders als alles, was wir in den letzten 25 Jahren erlebt haben. Wer, wie ich, vor 25 Jahren ins Berufsleben eingestiegen ist, der findet die Unterschiede in unzähligen Beispielen. Angefangen bei der Informationstechnologie bis hin zum Menschenbild ist heute nur noch weniges so, wie es damals war. Unser heutiges Arbeiten ist geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz (VUKA). In einem solchen Umfeld gibt es nur noch wenige Situationen/Aufgabenstellungen, denen mit Standard-Prozessen begegnet werden kann. Gerade das haben wir aber gelernt. Einheitliche Prozesse, vorzugsweise auf der Grundlage von Erfahrungen aus anderen erfolgreichen Unternehmen, stehen auf der HR-Wunschliste ganz weit oben.
Das wird jetzt vielen HR-Managern nicht gefallen. Aber machen wir uns bitte nichts vor: Best-Practices sind Past-Practices. Wenn sich das Umfeld und die Kundenwünsche ändern, z. B. die Erwartungen von Kandidaten an einen Bewerbungsprozess, dann können wir darauf nicht mit überholten Prozessen reagieren. Best-Practices sind die Fortschreibung von Taylorismus. In diesem Modell haben individuelle Kundenwünsche keinen Platz. Taylor brachte diesen Gedanken damals auf den Punkt, indem er sagte: „Unsere Kunden können das Modell T in jeder Farbe haben, die sie wollen - solange es schwarz ist.“ Die Kunden von HR haben ganz klar andere Anforderungen - und selbst diese ändern sich zuweilen - und das mitunter sehr schnell. Darauf muss eine (agile) HR-Organisation vorbereitet sein. Standard-Prozesse sind dazu leider nicht geeignet. Agilität ist Anti-Taylorismus. Denken Sie einmal darüber nach.
Die Voraussetzungen für erfolgreiche agile Organisationen
Es kommt aber noch schlimmer. Denn Agilität - ich sagte das bereits eingangs - ist keine Methode, die Sie nach Belieben anwenden. Agilität ist ein Mindset, eine Überzeugung. Die Methode entwickelt sich aus diesem Mindset von selbst. Damit die passenden Überzeugungen aber überhaupt entstehen können, sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich. Und die müssen Sie ohne Abstriche verfügbar machen und tragen:
- Wir behandeln unsere Mitarbeiter wie vernünftige Erwachsene. Bevormundung und Micro-Management werden konsequent vermieden.
- Wir fördern Autonomie, Perfektionierung, Sinn und echtes Teamwork - dies sind die Grundpfeiler von Motivation.
- Wir geben Vertrauen und fordern die Übernahme von Verantwortung. Beide bedingen einander und hängen voneinander ab.
- Wir arbeiten in selbst organisierten, cross-funktionalen Teams von denen wir Bestleistungen fordern. Auch hier ist wichtig, Micro-Management zu vermeiden, da dies die so genannte „erlernte Hilflosigkeit“ erzeugt.
- Die Teams haben volle Entscheidungsfreiheit. Entscheidungen werden nicht „von oben“ überstimmt. Die Verantwortung für alle Entscheidungen liegt im Team.
- Wir fördern (und trainieren) lösungsfokussiertes, systemisches und sinn-bezogenes Denken.
Der letzte Punkt ist besonders wichtig. In allem, was wir tun, suchen wir nach einem Sinn. Wenn ein Mitarbeiter den Sinn seines Handelns/seiner Arbeit erkannt hat, wird er seine Energie auch dafür einsetzen, diesen Sinn zu realisieren. Daher ist der Sinn das zentrale Element, wenn Sie eine traditionelle, nicht-agile Organisation in eine agile Organisation umbauen wollen. Eine agile Organisation ist immer auf Sinn ausgerichtet. Daher starten wir immer mit der Frage: Wozu?
Wie Sie die Transformation erfolgreich planen
Begehen Sie bitte nicht den Fehler zu glauben, dass ein Methoden-Training ausreicht, um eine Organisation auf agil zu „drehen“. Mit einem 2-Tage-Seminar können Sie die in 20 Jahren gefestigten Überzeugungen nicht durch neue ersetzen. Und überhaupt gibt es nicht DIE eine Methode, die sie wie eine Blaupause einsetzen können, um die Veränderung zu steuern. Ihre Organisation und deren Kunden sind individuell - und damit anders, als in anderen Organisationen. Best-Practices sind Past-Practices, die bei Ihnen nicht wie erwartet funktionieren werden. Auch das sagte ich bereits. Der Individualität muss Rechnung getragen werden. Das erreichen Sie z. B., indem Sie sich die Zeit nehmen, mit einem erfahrenen Berater genau hinzuschauen, individuelle Ziele zu formulieren und den für Sie passenden Ansatz herauszuarbeiten. Das braucht Zeit und das kostet Geld. Noch mehr Zeit und Geld werden Sie aber verbrauchen, wenn Sie die Transformation im Alleingang versuchen. Hinzu kommt dann noch eine Vielzahl von verunsicherten und demotivierten Mitarbeitern. Insofern fällt es mir hier vergleichsweise leicht, eine klare Empfehlung auszusprechen.
Beste Erfolgschancen für HR
In meinem Eingangs-Statement habe ich erwähnt, dass HR nach meiner Überzeugung viele Voraussetzungen mitbringt, die ein solch massiver Veränderungsprozess braucht. Ich glaube das deshalb, weil Change häufig von HR angestoßen und/oder getrieben wird. Insofern dürfte hier bereits einiges an Erfahrungen vorhanden sein.
Gemeinsam mit dem richtigen Partner bietet die Transformation hin zu einer agilen HR-Organisation viele Chancen. Ergebnisse und Erfolge werden schnell sichtbar. Denn einer der wichtigsten, wenn nicht DER wichtigste, Parameter in agilen Organisationen ist der (interne oder externe) Kunde. Jede agile Organisation hat das Ziel, ihre Kunden zu erfreuen. Daher werden die Kunden, also z. B. die Fachbereiche im Unternehmen, von Anfang an in die Transformation eingebunden. Der Kunde gibt quasi vor, welchen Sinn die agile Organisation später erfüllen soll. Das klingt einerseits logisch, da HR ja ohnehin als interner Dienstleister für die Fachbereiche tätig ist. Andererseits ist dieser Ansatz aber - wenn man ihn konsequent zuende denkt - sehr komplex. Stellen Sie sich nur einmal die Vielzahl der individuellen Erwartungen vor, die aus Ihrem Unternehmen an HR herangetragen werden. Das haben Sie etwas weiter oben schon gelesen: Das Arbeiten von HR als interner Dienstleister ist geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz. Sich darauf vorzubereiten, gehört zu den Hauptaufgaben einer agilen Organisation.
Über den Autor:
Seit über 20 Jahren unterstützt Uwe Sunkel Unternehmen als Projektleiter für anspruchsvolle Human Resources Projekte. Seine Arbeits-Schwerpunkte liegen im Design effizienter HR-Prozesse und in der Auswahl, der Einführung und dem Einsatz leistungsfähiger HR-IT-Systeme.
Als Projektleiter arbeitet er an der Schnittstelle zwischen den Bereichen HR, IT und den involvierten Fachbereichen. Zu seinen Kunden gehören mittelständische Unternehmen ebenso wie internationale Großkonzerne.
Kontakt:
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Telefon: +49 8124 910064