Arbeiten Sie bereits agil? Falls nicht, dann verschenken Sie einen der effektivsten Hebel, den Sie in Ihrer HR-Organisation ansetzen können. Agilität ist unabdingbar, wenn Sie zeitnah auf Veränderungen Ihrer Umwelt reagieren wollen. Nehmen Sie das Beispiel Recruiting. Die Suche nach den besten Kandidaten gestaltet sich heute völlig anders, als dies noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist. Längst erleben wir reine Kandidatenmärkte, in denen sich Unternehmen um die Bewerber bemühen müssen. Auf solche Entwicklungen müssen Organisationen mit einer gewissen Wendigkeit und Beweglichkeit (Agilität!) reagieren, um nicht von anderen Unternehmen abgehängt zu werden.
Doch Vorsicht! In meinem letzten Beitrag „HR als Erfolgsfaktor für Agile Organisationen“ habe ich davor gewarnt, die Transformation in eine agile HR-Organisation auf die leichte Schulter zu nehmen. Ein solches Vorhaben ist kein Ziel, das Sie mit der Hand am Arm erreichen. Ich sage das bewusst so deutlich, da ich in der Praxis bereits zu viele gescheiterte Versuche gesehen habe. Agilität setzt einen tief greifenden Change innerhalb der Organisation voraus.
Erst Denken (ändern) - dann handeln
Agilität ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, um Organisationen an eine sich ständig verändernde Umwelt anzupassen. Sanjiv Singh bringt das auf den Punkt, indem er sagt: „Agilität ist das Top-Management-Thema und wir werden 2020 am Ergebnis und der Existenz der Unternehmen sehen, ob dies nachhaltig gelebt worden ist.“ Nun könnte man auf die Idee kommen, einfach mal damit zu beginnen. Lehrbücher zu Agilität, agilem Projektmanagement und den dort benötigten Werkzeugen gibt es ja zur Genüge. Mit diesem Ansatz würden Sie scheitern. Denn leider ist Agiles Arbeiten weit mehr, als eine Methode oder ein Werkzeugkasten. Agilität beginnt im Kopf; nämlich dort, wo zu allererst eine Veränderung im Denken der Mitarbeiter stattfinden muss. Wir sprechen hier von dem Agilen Mindset, als Voraussetzung für jede Agile Organisation. Dieses Agile Mindset wird im Wesentlichen durch 4 Werte definiert, die den normativen Rahmen für jedes agile Handeln vorgeben:
- Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
- Funktionierende Leistung ist wichtiger als umfassende Dokumentation
- Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlung
- Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans
Nehmen Sie ruhig das oben angesprochene Beispiel aus dem Recruiting und reflektieren Sie jetzt einmal bitte Ihren Recruiting-Prozess gegen diese 4 Werte. Schon beim ersten Punkt werden Sie feststellen, dass Sie den Recruiting-Prozess so beschrieben haben, dass Sie damit eine möglichst breite Gruppe von potentiellen Kandidaten abdecken. Richtig? Dann haben Sie den ersten Ansatzpunkt für eine Veränderung gefunden. Wir können in diesem kurzen Beitrag aus Gründen der Lesbarkeit leider nicht bei jedem Wert in die Tiefe gehen. Ich stehe Ihnen aber gerne für weitere Informationen und Diskussionen zur Verfügung. Wir haben zum Thema Agiles Recruiting auch ein eigenes Workshop-Format entwickelt, das wir Ihnen bei Interesse gerne anbieten.
Wie geht es weiter? Praktiken und Methoden
Das folgende Schaubild illustriert, welche Voraussetzungen geschaffen sein müssen, bevor Sie überhaupt mit der agilen Arbeit beginnen können. Natürlich wirkt das sehr dogmatisch - und die Wahrheit liegt wie so oft zwischen den Extremen. Wichtig ist, dass Sie den Ansatz finden, der zu Ihrer Organisation passt.
Wenn Sie die Voraussetzungen in Form der Agilen Werte und Prinzipien geschaffen haben, können Sie anfangen, agile Praktiken und Methoden einzuführen. Das ist ein Veränderungs-Prozess, der mit einem gründlichen Training der Beteiligten beginnt. Ohne Unterstützung durch einen erfahrenen Trainer und/oder Coach ist es sehr schwierig, die hierfür notwendige Überzeugungsarbeit zu leisten. Jede Agile Organisation braucht einen Sinn. Agiles Arbeiten beginnt immer mit der Frage: Wozu tun wir das? Genau an dieser Stelle lohnt es sich, einen sehr individuellen Ansatz, z. B. in der Form von User Stories, zu erarbeiten und dann zum Leitbild für die Organisation zu machen.
„Lohnt sich dieser ganze Aufwand?“, werden Sie fragen. Die Antwort ist einfach. Agile Organisationen richten sich an der sogenannten VUKA-Welt (Volatilität, Ungewissheit, Komplexität, Ambiguität) aus, um schnell auf neue Ereignisse reagieren zu können. Hierarchische Organisationen, die nach dem „Command & Order“-Ansatz arbeiten, funktionieren nur noch in sehr eingeschränkten Kontexten. Schauen Sie sich um: Themen wie KI (künstliche Intelligenz) werden bereits in den Recruiter-Fachkreisen diskutiert. Das kann man natürlich belächeln und als Spielerei abtun. Aber erinnern Sie sich dann bitte auch an Ron Sommer, den ehemaligen Vorstand der Telekom, der noch im Jahr 2000 sagte: „Das Internet ist eine Spielerei für Computerfreaks, wir sehen darin keine Zukunft.“