Resilienz und Selbstwirksamkeit im Interim Management
geschrieben von Maren Schmeling
Einleitung
In Zeiten tiefgreifender Transformationen und zunehmender Unsicherheit rücken zwei Begriffe in den Vordergrund, die lange primär dem psychologischen Diskurs vorbehalten waren: Resilienz und Selbstwirksamkeit. Sie haben heute eine strategische Relevanz für die Unternehmensführung – insbesondere im Kontext des Interim Managements.
Interim Manager betreten Organisationen häufig in Phasen der Instabilität: Umstrukturierungen, Turnarounds, Krisen oder komplexe Transformationsprozesse sind ihr operatives Feld. In dieser Rolle sind sie weit mehr als bloße Projektabwickler – sie sind Katalysatoren des Wandels. Dabei entscheidet nicht allein ihre fachliche Kompetenz über Erfolg oder Misserfolg, sondern insbesondere ihre innere Haltung, ihre Fähigkeit, mit Druck umzugehen, sich flexibel an neue Umstände anzupassen und trotz Unsicherheit handlungsfähig zu bleiben.
Dieser Beitrag beleuchtet die Schlüsselrolle von Resilienz und Selbstwirksamkeit im Interim Management. Er zeigt auf, warum diese Kompetenzen zur unverzichtbaren Führungsqualität avancieren und welchen konkreten Mehrwert sie für Unternehmen schaffen – insbesondere für Geschäftsführungen, Vorstände und Personalverantwortliche, die externe Führungspersönlichkeiten temporär an Bord holen.
Die Kunst, stabil zu bleiben, wenn alles im Wandel ist
Was ist Resilienz – und warum ist sie entscheidend?
Resilienz ist die psychische Widerstandskraft, Krisen und Belastungen nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Für Interim Manager bedeutet das: Auch unter extremem Erwartungsdruck, fehlender interner Rückendeckung oder politisch aufgeladenen Machtverhältnissen handlungsfähig zu bleiben.
Die sieben Säulen der Resilienz – Selbstwahrnehmung, Selbstregulation, Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Netzwerkorientierung und Zukunftsorientierung – bilden den Kern eines stabilen, inneren Fundaments. Dieses Fundament ermöglicht es Interim Managern, auch dann Orientierung zu geben, wenn die Organisation selbst orientierungslos ist.
Beispiel: In einer Unternehmenskrise mit drastischem Umsatzrückgang und Massenfluktuation von Führungskräften konnte ein erfahrener Interim CRO mit einem klaren, ruhigen Kommunikationsstil das Vertrauen des Teams wiederherstellen – allein durch sein Verhalten, nicht durch Macht oder Struktur. Seine Resilienz war das Bindeglied zwischen Chaos und Stabilisierung.
Selbstwirksamkeit: Der Glaube, etwas bewirken zu können
Albert Bandura, der Begründer der Selbstwirksamkeitstheorie, zeigte bereits in den 1970er Jahren, wie wichtig das Vertrauen in die eigene Fähigkeit ist, Herausforderungen zu bewältigen. Interim Manager, die überzeugt sind, dass ihr Handeln einen Unterschied macht, agieren mit Klarheit, treffen mutige Entscheidungen und sind bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Dieses innere Vertrauen führt zu echtem Handlungsimpuls – auch dann, wenn kurzfristige Ergebnisse nicht sofort sichtbar sind. Interim Manager sind häufig auf sich allein gestellt, müssen in kurzer Zeit Wirkung erzielen und Teams mitziehen, die sie nicht selbst aufgebaut haben. Ohne Selbstwirksamkeit wäre diese Rolle kaum auszufüllen.
Resilienz in der Praxis: Wie Interim Manager Unternehmen stärken
Krisenbewältigung durch Haltung
Ein resilienzstarker Interim Manager bleibt ruhig, wenn andere hektisch werden. Er sieht nicht nur Probleme, sondern auch Möglichkeiten. Diese Haltung überträgt sich auf das Team: Menschen folgen Führungspersönlichkeiten, die Orientierung geben – besonders dann, wenn sie nicht alles wissen, aber Vertrauen ausstrahlen.
Interim Manager mit hoher Resilienz…
-
entwickeln in kürzester Zeit klare Strategien, auch in unsicherem Terrain,
-
reagieren flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen,
-
bleiben auch bei Rückschlägen fokussiert auf das Ziel.
Ein Beispiel aus der Praxis: In einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen stand eine Standortschließung im Raum. Die Geschäftsführung engagierte einen Interim Manager zur Leitung des Werks. Durch gezielte Kommunikation, Beteiligung der Mitarbeitenden an Lösungen und transparente Entscheidungen gelang es ihm, das Werk nicht nur zu erhalten, sondern sogar in die schwarze Zahlen zu führen – gegen alle Erwartungen.
Veränderung als Chance: Der positive Blick nach vorn
Resilienz ist nicht nur Widerstandskraft – sie ist auch Zukunftskompetenz. Wer Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als Gestaltungsspielraum versteht, handelt proaktiv und kreativ. Interim Manager mit dieser Haltung treiben Innovationen voran und motivieren Mitarbeitende, sich einzubringen.
Unternehmen profitieren dadurch mehrfach:
-
Steigerung der Mitarbeiterbindung: Wer sich gesehen und gehört fühlt, bleibt.
-
Förderung einer konstruktiven Fehlerkultur: Lernen statt Sanktionieren wird zum Leitbild.
-
Stärkung der Unternehmenskultur: Positives Denken wirkt ansteckend – auch im System.
Führung in der VUCA-Welt
Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität – das ist das neue Normal. In dieser Realität sind Führungskräfte gefragt, die nicht auf Kontrolle setzen, sondern auf Orientierung. Interim Manager mit starker Resilienz und Selbstwirksamkeit erfüllen genau dieses Anforderungsprofil.
Sie bringen die Fähigkeit mit, schnelle, belastbare Entscheidungen zu treffen, ohne in Aktionismus zu verfallen. Sie denken in Szenarien, nicht in festen Plänen. Und sie kommunizieren so, dass Vertrauen entsteht – auch ohne langfristige Perspektiven.
Selbstwirksamkeit als Schlüssel zur Transformation
Vom Opfer zum Gestalter
Wer sich selbst als handlungsfähig erlebt, agiert statt zu reagieren. Diese Haltung macht Interim Manager zu echten Transformationsgestaltern. Sie lassen sich nicht lähmen durch politische Ränkespiele oder zögerliche Organisationen – sie bringen Bewegung hinein.
Ein erfahrener CFO im Interim-Einsatz beschreibt es so: „Ich weiß, dass ich nicht alles ändern kann. Aber ich weiß auch: Wenn ich nichts tue, wird sich gar nichts ändern. Und das ist für mich keine Option.“
Diese Klarheit über die eigene Wirkungsmacht verändert den gesamten Auftritt: Sie schafft Autorität ohne Arroganz, Vertrauen ohne Machtspiel.
Kulturelle Hebel: Wie ein Mensch viele bewegen kann
Die Theorie der sozialen Kipppunkte zeigt: Wenn 10-15 % einer Gruppe überzeugt sind und überzeugt auftreten, kippt die Dynamik – eine Idee wird zur Bewegung. Interim Manager, die durch Haltung und Kommunikation überzeugen, können genau das auslösen.
Sie wirken als Vorbilder für:
-
lösungsorientiertes Denken,
-
konstruktive Fehlerkultur,
-
proaktive Veränderungsbereitschaft.
Und sie tun das, ohne Teil des Machtgefüges zu sein – gerade das macht ihre Wirkung oft so durchschlagend.
Der systemische Blick
Selbstwirksamkeit bedeutet auch: Ich sehe meine Rolle im größeren Ganzen. Interim Manager mit systemischem Verständnis erkennen Wechselwirkungen, machen blinde Flecken sichtbar und stoßen Lernen im System an. Sie wissen: Wirkung ist nicht nur Ergebnis von Kompetenz, sondern auch von Kontextgestaltung.
Die positiven Nebenwirkungen: Warum resiliente Interim Manager Gold wert sind
Motivation und Engagement im Team steigen
Menschen orientieren sich an Haltung – nicht an Funktion. Interim Manager, die Hoffnung, Klarheit und Lösungsorientierung verkörpern, mobilisieren Potenziale im Team. Mitarbeitende übernehmen Verantwortung, bringen Ideen ein und engagieren sich stärker.
Innovationsfähigkeit wird gefördert
Wo Angst herrscht, entsteht keine Innovation. Resiliente Interim Manager schaffen ein Umfeld, in dem Ausprobieren erlaubt ist. Fehler werden als Lernchancen gesehen – und genau dadurch entstehen neue Ansätze, die bestehende Strukturen oft nicht hervorbringen können.
Stakeholder-Vertrauen wächst
Externe Partner – Investoren, Kunden, Aufsichtsräte – spüren, ob in der Organisation Klarheit und Richtung herrschen. Interim Manager, die souverän und zuversichtlich auftreten, schaffen Vertrauen und stabilisieren externe Beziehungen – auch in schwierigen Zeiten.
Integration und Transformation gelingen schneller
In M&A-Prozessen, bei Restrukturierungen oder Kulturwandel-Vorhaben kommt es auf Geschwindigkeit und Empathie an. Resiliente Interim Manager navigieren durch Unsicherheit, vermitteln Orientierung und treiben Veränderung mit Fingerspitzengefühl voran.
Führung wird nachhaltig gestärkt
Gute Interim Manager hinterlassen keine Lücke – sie bauen Führung auf. Sie coachen, spiegeln, fordern heraus – und fördern damit langfristig die Resilienz und Selbstwirksamkeit der internen Führungskräfte.
Fazit: Resilienz ist kein Luxus – sie ist die neue Führungskraft
Interim Management ist mehr als operatives Krisenmanagement. Es ist Führung in Reinform: unter Zeitdruck, mit begrenzter Macht, aber hohem Erwartungsdruck. In diesem Setting machen nicht allein Fachwissen oder Erfahrung den Unterschied – sondern Haltung.
Resilienz und Selbstwirksamkeit sind die unsichtbaren Kräfte, die Interim Manager wirksam machen. Sie entscheiden darüber, ob jemand bloß Aufgaben erledigt – oder einen echten, nachhaltigen Unterschied bewirkt.
Für Geschäftsführer, Vorstände und Personalverantwortliche bedeutet das: Wer Interim Manager auswählt, sollte nicht nur auf den CV schauen. Sondern vor allem auf die Frage: Wie geht dieser Mensch mit Unsicherheit, Druck und Veränderung um?
Denn in einer Welt, die sich ständig wandelt, brauchen Unternehmen vor allem eines: Führungspersönlichkeiten, die im Sturm stehen bleiben – und andere zum Weitergehen bewegen.